Warum Mitgefühl der Schlüssel zum Neinsagen ist.

Warum Mitgefühl der Schlüssel zum Nein sagen ist.

In der Ratgeberliteratur findet man viele Techniken, wie man Neinsagen lernen kann. Oder besser gesagt wie man ein „Nein“ in elegante Worte verpackt. Die bekannteste Technik ist vielleicht die Sandwich-Methode:

Man sagt zuerst etwas Positives („Danke, dass Du mich fragst.“), dann formuliert man seine Ablehnung („Leider habe ich heute keine Zeit.“) und am Schluss sagt man wieder etwas Positives („Ein anderes Mal helfe ich Dir gern.“).

Solche Methoden können nützlich sein. Sie bringen jedoch nichts, wenn man sie nicht mit Mitgefühl verbindet. Wenn Mitgefühl fehlt, führen diese Techniken zu Worthülsen, die weder einem selbst noch anderen weiterhelfen. Ohne Mitgefühl wird Neinsagen leicht zu einem Kampf, egal wie elegant man sich dabei ausdrückt.

An dieser Stelle höre ich oft von meinen Klienten: „Aber Mitgefühl ist ja gerade der Grund, warum ich nicht „Nein“ sagen kann! Vor lauter Mitfühlen schaffe ich es einfach nicht, mich abzugrenzen. Mein Mitgefühl bringt mich noch in Teufels Küche!“

Wenn es Ihnen auch so geht, dann kann es sein, dass Sie Mitgefühl mit Mitleid verwechseln. Mitgefühl bedeutet, Anteilzunehmen und die schwierige Lage des anderen anzuerkennen – jedoch ohne ihm die Verantwortung für sein Leid abzunehmen. Die Leidhaftigkeit eines anderen zu übernehmen und buchstäblich mitzuleiden, hat noch niemandem weitergeholfen. Mitleid schwächt alle Beteiligten. Mitgefühl wirkt aufrichtend und respektvoll.

Um konstruktiv „Nein“ zu sagen, brauchen wir jedoch nicht nur Mitgefühl mit anderen, sondern auch mit uns selbst (welches wiederum nicht zu verwechseln ist mit Selbstmitleid). Nur wer mitfühlend mit sich selbst ist, hat einen guten Kontakt zu seinen Bedürfnissen, Kräften und individuellen Grenzen.

Wenn es um Dinge geht, die als persönliche Schwäche empfunden werden, fällt einem das Mitgefühl mit sich selbst manchmal schwer. Mitgefühl ist jedoch keine Frage von Sympathie, sondern von einem grundlegenden Wohlwollen. Genauso wie man in konfliktreichen Beziehungen Mitgefühl haben kann, ist es möglich, mitfühlend mit den eigenen Schattenseiten umzugehen.

Aus Mitgefühl mit sich und anderen erwächst die innere Klarheit, die nötig ist, um sich konstruktiv abzugrenzen. Wenn man beginnt mitzufühlen, statt mitzuleiden, entspannt sich die Situation – und es erhöht sich die natürliche und freudige Hilfsbereitschaft. Mitgefühl steht jedoch nicht im Widerspruch zu einem deutlichen „Nein“, wenn dies erforderlich ist. Es ermöglicht vielmehr, ein „Nein“ zugewandt und mit Selbstverständlichkeit auszusprechen – auch ohne Kommunikationstechniken.