Geschichte einer gelungenen Veränderung: Ein Interview mit Sina Erkenbrecher von melovely

Interview mit Sina ErkenbrecherLiebe Sina, du hast eine spannende berufliche Veränderung hinter dir. Wie sah deine berufliche Anfangssituation aus? Und wo stehst du heute?

Bis 2009 war ich Projektleiterin im Bereich Online-Marketing in einem großen Unternehmen. Mein Arbeitsumfeld in diesem rund 40 Jahre alten Konzern war geprägt von starren Strukturen und belastenden Arbeitsbedingungen.

Heute bin ich selbstständig und treffe alle Entscheidungen selbst. Mit zwei anderen Personen habe ich 2010 das Unternehmen melovely gegründet, mit dem wir jungen Designern von Schmuck und Accessoires helfen, ihre Produkte online zu vertreiben.

Was war der Auslöser für deine Entscheidung, dich beruflich zu verändern?

Unzufrieden war ich schon lange. Ich fühlte mich in meinem alten Job wie in einem Laufrad. Es gab immer mehr Projekte, kaum Anerkennung und Überstunden bis zum Umfallen waren eine Selbstverständlichkeit. Der Weg bis zu meiner Kündigung war trotzdem ein langer Prozess.

Einerseits haben mich meine Kollegen gehalten. Die Arbeit in meinem Team hat viel Spaß gemacht und den Frust über die sonstigen Rahmenbedingungen etwas gemildert. Von meinem Umfeld bekam ich zudem wenig Ermutigung, mich zu verändern. Hinweise wie „Woanders ist es auch nicht besser!“ haben mich zunächst verunsichert und ich versuchte daher, den nötigen Ausgleich für meine Unzufriedenheit in meinem Privatleben zu finden. Langfristig hat das aber nicht ausgereicht.

Am Ende war es ein Schlüsselerlebnis, das mir den entscheidenden Impuls zur Kündigung gab: Mein Chef legte mir einen 10-Punkte-Plan vor mit Aufgaben, die ich zusätzlich erfüllen sollte. Als Gegenleistung bot er mir eine Gehaltserhöhung von 50,- Euro. Ich war empört und es dauerte nicht mehr lange bis ich eines Morgens aufwachte und wusste: Heute werde ich kündigen. Dass ich noch nicht wusste wie es weitergehen würde, war mir mittlerweile egal.

Was hat dir am meisten geholfen, diesen Schritt ins Ungewisse zu wagen?

Einerseits war der Leidensdruck für mich irgendwann so groß, dass ich einfach handeln musste. Allein schon wegen der gesundheitlichen Probleme, die irgendwann hinzukamen.

Ganz entscheidend waren aber auch die positiven Impulse, die mir den Weg erleichtert haben. Einerseits habe ich mir für diese Umbruchphase professionelle Begleitung gesucht. Mindestens genauso wichtig waren jedoch die Gespräche mit anderen Menschen, die einen ähnlichen Schritt schon gegangen waren. Eine ehemalige Kollegin, die schon vor mir gekündigt hatte, war für mich beispielsweise eine wichtige Bezugsperson, die mich inspiriert und ermutigt hat. Darüber hinaus besuchte ich über mehrere Monate ein Seminar, in dem sich eine Gruppe von Menschen traf, die sich alle beruflich verändern wollten. Der Austausch mit Gleichgesinnten hat mir schon immer viel Kraft gegeben.

Die meisten Menschen, die ihren Job verlassen wollen, haben große Angst vor der Unsicherheit, die sich nach einer Kündigung auftut. Wie ging es dir als die Kündigung ausgesprochen war und wie hast du dich danach zurechtgefunden?

Ich war nach der Kündigung unglaublich erleichtert. Am Ende ist mir der Ausstieg viel leichter gefallen als ich erwartet hatte. Es hat jedoch noch eine Weile gedauert bis die Erleichterung auch körperlich ankam und gesundheitliche Beschwerden verschwanden. Ich musste auch erst einmal diesen Druck loswerden, den ich aus dem Berufsalltag gewohnt war. Anfangs hatte ich immer das Gefühl, ich müsste meine freie Zeit irgendwie füllen – bis ich mich schließlich ähnlich gestresst fühlte wie vorher im Job. Aber auch das legte sich mit der Zeit.

Als es dann um die Neuorientierung ging, war es für mich zunächst wichtig meine neu gewonnene Freiheit zu schützen. Erstaunlicherweise bekam ich in dieser Zeit recht viele Jobangebote, für die ich aber nicht offen war. Ich wollte mir Zeit lassen eine neue Richtung zu finden, und auch hierbei war für mich der Austausch mit anderen sehr wichtig. Dabei habe ich versucht meine bisherige Berufsbiographie mal völlig zu vergessen und mich nur zu fragen „Welche offenen Bedürfnisse gibt es um mich herum, die ich mit meinen Fähigkeiten abdecken kann?“ Gemeinsam mit meinem Partner, der zu diesem Zeitpunkt auch seinen Job gekündigt hatte, verbrachte ich viel Zeit mit Brainstorming – und daraus entstand schließlich die Grundidee für melovely. Mein Erfahrung ist: Wenn man wirklich offen ist für eine neue Materie, dann entstehen automatisch neue Ideen, Kontakte und Möglichkeiten.

Eine Unternehmensgründung ist ja nicht ohne. 80% aller StartUps scheitern – ihr seid schon seit 2 Jahren dabei. Gab es für dich beim Aufbau von melovely eine Phase, die besonders schwierig war?

Eine Selbstständigkeit ist natürlich kein Zuckerschlecken, denn man trägt permanent eine große Verantwortung. Das Gute ist, dass wir in einem stabilen Team zusammenarbeiten: Wir ergänzen uns gut und waren auf diese Weise bisher allen Herausforderungen gewachsen.

Der vielleicht schwierigste Moment war für mich der Zeitpunkt, an dem wir für den Aufbau des Unternehmens einen Gründerkredit aufgenommen haben. Da ging es plötzlich um eine Menge Geld und ich habe gespürt: Jetzt wird es ernst. Die Zeit der Planung und des Ideenentwickelns hatte etwas Spielerisches und Leichtes gehabt – mit dem Kredit kam jedoch ein gewisser Druck in unser Vorhaben und auch die Sorge, dass wir uns vielleicht übernehmen könnten. Es war der Moment wo ich mich entscheiden musste, ob ich das wirklich will – und ich wollte!

Letztendlich war mein Vorgehen immer bestimmt von dem Gefühl: Wenn wir irgendwann mit dem Unternehmen scheitern sollten, dann kann ich damit auch leben. Hauptsache ich bin meinem Gefühl gefolgt und habe es ausprobiert. Bisher habe ich damit nur gute Erfahrungen gemacht.

Seit deinem anfänglichen Wunsch dich beruflich zu verändern, sind inzwischen schon vier Jahre vergangen und du kannst auf eine Menge Erfolge zurückblicken. Welche ist die wichtigste Erkenntnis, die du auf Deinem Weg der Veränderung gewonnen hast?

Ich würde heute nicht mehr so lange zögern, weil ich weiß: Wenn man beginnt den eigenen Wünschen auf den Grund zu gehen und Altes loszulassen, dann öffnen sich neue Türen fast von alleine.

Und welchen Rat würdest du anderen mit auf den Weg geben, die heute an der Schwelle zu Veränderung stehen?

Ich kann nur empfehlen sich mit anderen auszutauschen und das Gespräch zu suchen! Es gibt immer jemanden, der schon einen Schritt weiter ist und von dem man lernen kann. Gleichzeitig finde ich es wichtig, sich bewusst fernzuhalten von Miesmachern und destruktiven Kritikern. Die junge Pflanze der Veränderung will behütet sein!

Ab und zu ist es auch sinnvoll, sich die Frage zu stellen: Wenn mein Leben heute zu Ende wäre, würde ich es dann bereuen, etwas Bestimmtes nicht gemacht zu haben? Die Antwort auf diese Frage kann Augen öffnen.

Danke, Sina, für das Teilen deiner Erfahrungen – und allen, die sich noch am Anfang der Veränderung befinden, viel Kraft und hilfreiche Weggefährten!